Projekt-Cluster / 01.07.2011
CO2-Wäsche (Post Combustion Capture)
Forschungsansatz
Pilotanlage zur CO2-Wäsche am Kraftwerk Staudinger mit den beiden Kolonnen, Absorber und Desorber, in denen das Waschmittel zirkuliert. ©Siemens
Die CO2-Wäsche wird auch Post-Combustion-Capture-Verfahren genannt („nach der Verbrennung abtrennen“). Es handelt es sich bevorzugt um eine Rauchgaswäsche mit einem chemischen Absorptionsmittel bzw. alternativ auch um eine trockene CO2-Adsorption, welche einem konventionellen fossil befeuerten Kraftwerk nachgeschaltet wird - nach dem eigentlichen Verbrennungsprozess inklusive der nachgeschalteten Rauchgasreinigungssysteme (Staubfilter, Rauchgasentschwefelung, Entstickung).
Bei den nasschemischen Wäschen sind weitere Effizienzsteigerungen vor allem durch die Weiterentwicklung des eingesetzten Lösungsmittels zu erwarten. Ein wichtiges Forschungsziel ist die Verbesserung der Stabilität dieser Lösungsmittel gegenüber Abbauprozessen infolge chemischer Reaktionen mit im Rauchgas vorhandenen Bestandteilen.
Weitere Schlüsselbereiche der Forschung und Entwicklung bei den Post-Combustion-Capture-Verfahren sind die Prozessintegration und die Optimierung für die Anwendung in Großkraftwerken. Erwartet wird, dass die Technik frühestens 2020 kommerziell zur Verfügung steht. Dies bedeutet, dass die bis 2020 gebauten Kraftwerke keine CO2-Abscheidung besitzen, aber für die Nachrüstung vorbereitet werden können ("capture ready"). Aktuell wird davon ausgegangen, dass von allen CO2-Abscheideverfahren lediglich das Post-Combustion-Verfahren für eine Nachrüstung geeignet ist.
Forschungsziele
Aminwäsche
- Entwickeln und testen von optimierten Waschmitteln auf Aminbasis
- Anpassen der Wäscherkolonnen und ihrer Einbauten an die Lösungsmittel und an kraftwerksspezifische Rauchgasbestandteile und -zustände
- Untersuchen von alternativen aber auf Aminen als Lösungsmittel basierenden Verfahren (zum Beispiel Verwendung von fixierten Aminen, von Aminosalzen und von Membranen zur Trennung der Gas- und der Flüssigphase)
- Optimieren der Einbindung des Prozesses in den Wärmekreislauf (sowohl beim Nachrüsten als auch bei neuen Anlagen)
- Demonstration der Aminwäsche an einer Kohlefeuerung - als Schritt auf dem Weg zur kommerziellen Anlage
Wäschen mit anorganischen Lösungsmitteln
- Durchführen einer Machbarkeitsstudie, die die Potenziale aufzeigt
- Entwickeln von Wäschen mit basischen Waschmitteln
- Erproben eines ausgesuchten Verfahrens in einer Pilotanlage
Trockene Sorption
- Durchführen einer Machbarkeitsstudie mit Aufzeigen der Potenziale
- Errichten und betreiben einer Pilotanlage mit Untersuchung der Lösungsmittel im Hinblick auf Stabilität, Verbrauch und anschließender Verwertung
Perspektiven
Die aus heutiger Sicht aussichtsreichsten Post-Combustion-Verfahren sind die chemischen Absorptionsverfahren, die oft auch als chemische Wäschen bezeichnet werden. Als mögliche Lösungsmittel werden derzeit aminbasierte, ammoniakhaltige oder alkalihaltige Lösungen favorisiert. Mit Hilfe dieser Lösungsmittel wird das im Rauchgas befindliche Kohlendioxid absorbiert. Anschließend wird das CO2 aus dem beladenen Lösungsmittel mit Hilfe eines Regenerationsprozesses entfernt. Die Regeneration des Lösungsmittels wird durch einen Temperatur- und/oder Druckwechsel angeregt. Das Lösungsmittel wird dem Kreislauf wieder zugeführt und das abgeschiedene CO2 für den Transport und die anschließende Speicherung konditioniert.
Absorption in flüssigen Lösungsmitteln ist eine industriell erprobte, weit verbreitete CO2-Abtrenntechnik, mit der hohe Reinheiten und Abtrenngrade erreicht werden. Die Lösungsmittel können organischer oder anorganischer Natur sein.
Bei den anorganischen Lösungen handelt es sich um Alkalilösungen. Das aminbasierte Abscheideverfahren wird heute kommerziell in verschiedenen Chemieprozessen (z. B. Ammoniakherstellung) eingesetzt, wobei sich Monoethanolamine (MEA) als Lösungsmittel bewährt haben. Die Übertragung des Verfahrens auf Kraftwerksrauchgase stellt die eigentliche Herausforderung dar. In Verbindung mit den verschiedenen Kraftwerksprozessen und Rauchgaszusammensetzungen werden derzeit weitere mögliche Waschflüssigkeiten untersucht.
Eine weitere Option stellt die Ammoniak-Wäsche dar, die von der Fa. Alstom als „Chilled Ammonia“ Verfahren in Versuchsanlagen getestet und optimiert wird. Auf dem Gebiet der Lösungsmittel sind Arbeiten der Industrieunternehmen Fluor, Mitsubishi Heavy Industries, Dow Chemical, Cansolv sowie BASF hervorzuheben. Im Vordergrund der Arbeiten stehen die Verbesserung der Stabilität und die Erhöhung der Wirksamkeit von Lösungsmitteln sowie die Reduzierung des für die Desorption erforderlichen Energieverbrauchs. Ziel ist die Senkung der derzeit noch sehr hohen Kosten.
Der Entwicklung effizienterer Lösungsmittel für den Einsatz in Kraftwerken kommt eine besondere Bedeutung zu. Ziel ist es, den Energieeinsatz für die Regeneration zu reduzieren, den Lösungsmitteleinsatz zu verringern und Kosten zu senken. Hierzu gehört auch, entsprechende Erklärungsansätze für die auftretenden Degradationsmechanismen (oxidative und thermische Degradation, Reaktion mit sauren Gasen, Nebenreaktionen mit CO2) zu finden.
Wesentlicher Nachteil der aminbasierten Wäsche ist der hohe Energieaufwand für die Desorption des CO2-beladenen Lösungsmittels, der zu massiven Wirkungsgradverlusten führt. Wie laufende Forschungsarbeiten zeigen, scheint der Einsatz von sogenannten sterisch gehinderten oder tertiären Aminen (aMDEA, MDEA, KS-1) mit Einsatz von Aktivatoren zur Reaktionsbeschleunigung vielversprechend, da sie weniger Energie für die Desorption sowie für Pumpen und Verdichter benötigen. Darüber hinaus lässt sich die Korrosionsgefahr verringern. Allerdings weisen sie Nachteile beim eigentlichen Absorptionsprozess auf. Für den Einsatz von aMDEA-Lösungsmitteln liegen vielfältige Erfahrungen vor, da sie vornehmlich für die Abtrennung von CO2 aus Erdgas eingesetzt werden. So umfasst allein die Referenzliste des Unternehmens BASF etwa 230 Anlagen, in denen das hergestellte aMDEA-Lösungsmittel eingesetzt wird.
Der Einsatz von Karbonaten stellt eine weitere interessante Option dar, da sich diese durch eine hohe thermische Stabilität, die Beständigkeit gegenüber Sauerstoff sowie relativ niedrige Ab- und Desorptionswärmen auszeichnen. Nachteilig ist die relativ niedrige Reaktionsgeschwindigkeit, die aber durch Zugabe von Additiven erhöht werden kann.
Hintergrund
Die CO2-Abscheidung aus Rauchgasen setzt sich aus einem Absorptionsschritt und einem Regenerationsschritt zusammen. Im Absorptionsschritt wird das CO2 aus dem Rauchgas entfernt. Im Regenerationsschritt wird das CO2 vom Lösungsmittel oder dem CO2-Träger wieder entfernt. Dabei wird ein hochkonzentrierter CO2-Strom erzeugt, den man anschließend der CO2-Verflüssigung zuführt. Die Absorption kann mithilfe flüssiger Lösungsmittel erfolgen. Bei den Lösungsmitteln unterscheidet man zwischen organischen Lösungsmitteln, in der Regel Amine, und anorganischen Sorptionslösungen wie Alkali- und Erdalkalilösungen oder -suspensionen.
Darüber hinaus ist auch eine trockene Sorption mithilfe von Erdalkalien wie beispielsweise Kalziumoxid möglich.
Eine CO2-Abtrennung durch Aminwäsche (organische Waschmittel) ist für bestimmte industrielle Anwendungen etabliert. Weltweit existieren einige Anlagen mit einer CO2-Abtrennung durch Aminwäscher. Dabei handelt es sich allerdings um kleinere Anlagen, die CO2 als Produkt für die Lebensmittelindustrie oder zur Unterstützung der Öl- oder Gasproduktion erzeugen (Enhanced oil/gas recovery EOR/EGR). Für Kraftwerksanlagen, insbesondere Kohlekraftwerke, mit ihren spezifischen Gaszusammensetzungen und Gaszuständen sowie den sehr großen Volumenströmen sind leistungsfähigere und größere Einheiten zur CO2-Abtrennung erforderlich. Hier besteht noch erheblicher Forschungs- und Entwicklungsbedarf. Darüber hinaus ist die Regeneration des Waschmittels sehr energieintensiv und führt zu erheblichen Wirkungsgradverlusten.
Letztere betragen nach derzeitigem Kenntnisstand bis zu einem Drittel.
Bei der CO2-Abtrennung mit Aminen wird das Lösungsmittel in den Rauchgasstrom eingesprüht. Es nimmt das CO2 durch chemische Reaktion auf. Nach der Absorption wird das mit CO2 beladene Amin thermisch bei etwa 100 bis 130 °C regeneriert. Zu diesem Zweck wird dem Wasser-Dampf-Kreislauf des Kraftwerks Niederdruckdampf entnommen. Nach der Regeneration im Desorber wird das Lösungsmittel erneut zur Absorption eingesetzt.
Alternativ zu Aminen können auch anorganische Waschmittellösungen oder Suspensionen als Lösungsmittel eingesetzt werden. Die nasse Rauchgaswäsche, bei der das Rauchgas im Absorber mit einer Flüssigkeit interagiert, bleibt aber das grundlegende Verfahrensprinzip. Derartige Waschmittellösungen wurden bisher noch nicht für die CO2-Abtrennung aus Rauchgasen eingesetzt. In der chemischen Industrie werden diese indes zur Gasaufbereitung benutzt. Möglicherweise sind sie auch bei der CO2-Abtrennung aus Rauchgasen von Vorteil – zum einen wegen der Stabilität der Lösungsmittel, zum anderen, weil die Bildung unerwünschter Nebenprodukte gering ist.
Eine weitere Option ist die trockene CO2-Absorption, die der trockenen Gasreinigung zur Minimierung von Schadstoffen ähnelt. Erdalkalien, vorzugsweise Kalzium, sind dazu gut geeignet. Liegen entsprechende Reaktionsbedingungen vor, findet eine CO2-Abscheidung aus dem Rauchgas bei gleichzeitiger Karbonatbildung statt. Bei der trockenen Gasreinigung interagiert das Rauchgas mit Feststoffen. Gas und Feststoffe bilden zusammen eine Gas-Feststoffsuspension. Siehe auch Carbonate Looping.
7 aktuelle Forschungsvorhaben
Entwicklung eines Waschverfahrens zur Abscheidung von CO2 aus dem Rauchgas von Kohle- und Erdgaskraftwerken. Optimierung selektierter Eigenschaften der hierfür ausgewählten marktgängigen Sorbentien (Post Combustion Capture)
Forschende Organisation: Siemens Aktiengesellschaft - Power Generation - Abt. EIB12
Förderkennzeichen: 0327778
Ergänzungsvorhaben: Entwicklung eines Verfahrens zur Regeneration und Vermeidung von Desaktivierung aminosäuresalzbasierter Waschmittel zum Einsatz in CO2 -Wäschen für Kohle -und Ergaskraftwerke
Förderkennzeichen: 0327778A
Bau und Betrieb einer CO2-Wäsche-Pilotanlage zur Erprobung neuer, optimierter Lösungsmittel unter realen Betriebsbedingungen an einem braunkohle-gefeuerten Kraftwerk
Forschende Organisation: RWE Power Aktiengesellschaft - Forschung und Entwicklung - Neue Technologien
Förderkennzeichen: 0327793A
Folgeprojekt: Betrieb der CO2-Wäsche-Pilotanlage zur weiteren Erprobung eines neuen optimierten Lösungsmittels unter realen Betriebsbedingungen an einem braunkohle-gefeuerten Kraftwerk
Förderkennzeichen: 0327793D
Engineering + Anfahren der Pilotanlage, Auswertung + Konzeptoptimierung
Forschende Organisation: Linde-KCA-Dresden GmbH - Chemie- und Gasanlagen
Förderkenzeichen: 0327793B
Folgeprojekt: Versuchsbegleitung & Nachrüstungen der CO2-Wäsche-Pilotanlage
Förderkennzeichen: 0327793E
Optimierung Gaswäscheprozeß durch Simulation & Versuche inkl. Aufstockung für Arbeitspaket Werkstoffuntersuchungen
Forschende Organisation: BASF SE - Abt. CZA/ML, Bau: E 100
Förderkennzeichen: 0327793C
Folgeprojekt: Betrieb einer CO2-Wäsche-Pilotanlage - Langzeittests neuer, optimierter Lösungsmittel unter realen Betriebsbedingungen an einem braunkohle-gefeuerten Kraftwerk: Simulation, Versuchsauswertung, Analytik, Reclaiming
Förderkennzeichen: 0327793F
Evaluierung der Integration, Dynamik und Optimierung nachgeschalteter Rauchgaswäschen
Forschende Organisation: Technische Universität Hamburg-Harburg - Institut für Energietechnik (IET)
Förderkennzeichen: 0327785
Chemische Absorptions-Verfahren zur CO2-Abtrennung aus Rauchgasen
Forschende Organisation: Universität Duisburg-Essen - Lehrstuhl für Umweltverfahrenstechnik und Anlagentechnik
Förderkennzeichen: 0327786A
Verfahrenstechnische Untersuchung und Weiterentwicklung von Amin-Waschverfahren zur CO2 Abtrennung aus Kraftwerksrauchgasen
Forschende Organisation: Universität Stuttgart - Fakultät 4 Energie-, Verfahrens- und Biotechnik - Institut für Feuerungs- und Kraftwerkstechnik (IFK)
Förderkennzeichen: 0327786B
Folgeprojekt: Effiziente Abtrennung von CO2 aus Kraftwerksrauchgasen mit Hilfe eines Sprühwäschers – Sprühwäscher Upscale
Förderkennzeichen: 0327786C
Adressen
Projektbeispiele

CO2-Abscheidung: Waschmittel mit doppelter Kapazität
Im Heizkraftwerk Herne der Steag testet Creavis neue Waschmittel zur CO2-Abscheidung. Bisher ist diese Technik für Kraftwerke sehr energieintensiv und teuer. Durch effizientere Waschmittel soll sich das ändern...